Haar wird zur Stadt: Chancen und Herausforderungen der Stadterhebung

Am 2. September 2024 war es offiziell: Haar, die 25.000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis München, wird zur Stadt erhoben.
Haar wird zur Stadt: Chancen und Herausforderungen der Stadterhebung

Bürgermeister Dr. Andreas Bukowski erhielt die freudige Nachricht vom Bayerischen Innenministerium. „Ein toller Erfolg für Haar“, erklärte Bukowski stolz und sieht darin eine Anerkennung der kontinuierlichen Entwicklung der Gemeinde in den letzten 100 Jahren.

Die Stadterhebung folgt auf einen gründlichen Prüfprozess und macht Haar zur dritten Stadt im Landkreis München, nach Garching und Unterschleißheim. Der offizielle Titel wird zwar erst mit der Urkundenverleihung wirksam, doch die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren. Der Bürgermeister betont die große Bedeutung der Stadterhebung, insbesondere im Hinblick auf die laufenden Bemühungen zur Stärkung der Gewerbeentwicklung.

Für die Bürgerinnen und Bürger von Haar wird sich auf den ersten Blick kaum etwas verändern. Dokumente behalten ihre Gültigkeit, die Vorwahl und das Autokennzeichen bleiben bestehen. Der Gemeinderat wird lediglich in einen Stadtrat umgewandelt, und der Bürgermeister erhält trotz des neuen Titels kein höheres Gehalt, da dieses weiterhin an die Einwohnerzahl gebunden ist. Dennoch wird sich die Außendarstellung Haars anpassen: Aus den Gemeindewerken werden Stadtwerke, aus der Bücherei die Stadtbücherei, und auch an Ortsschildern und Briefköpfen wird der neue Status sichtbar werden.

Die Stadterhebung von Haar ist auf den ersten Blick eine Anerkennung der besonderen Rolle der Gemeinde, primär als bedeutender Gesundheitsstandort mit dem kbo-Isar-Amper-Klinikum und dem einzigartigen Campus für seelische Gesundheit. Doch hinter der Freude über den neuen Titel lauern erhebliche Herausforderungen – vor allem finanzieller Natur.

Mit dem Stadtstatus will Haar sein Ansehen verbessern und neue Unternehmen sowie Investoren anziehen. Die Hoffnung ist, dass dies zu einer verstärkten Ansiedlung von Gewerbebetrieben führt, was wiederum zu höheren Gewerbesteuereinnahmen beitragen könnte. Angesichts der angespannten Haushaltslage wäre dies ein dringend benötigter Schub für die Gemeindekasse. Zudem stärkt der neue Titel die Position Haars in der Region, besonders im Vergleich zur dominierenden Nachbarstadt München. Bei zukünftigen Verhandlungen über Infrastrukturprojekte oder Wohnbau könnte diese Unabhängigkeit von Vorteil sein.

Auch für potenzielle Neubürger könnte der Stadtstatus Haar attraktiver machen. Ein moderater Anstieg der Bevölkerungszahl könnte die Steuerbasis verbreitern und langfristig zur finanziellen Stabilisierung beitragen. Doch diese Hoffnungen sind keine Garantie für eine rasche Verbesserung der finanziellen Lage.

Die Umstellung von einer Gemeinde auf eine Stadt bringt erhebliche Kosten mit sich. Vom Austausch der Ortsschilder über die Anpassung von Briefköpfen und öffentlichen Einrichtungen bis hin zur Verwaltung neuer Anforderungen – all dies belastet die ohnehin strapazierte Gemeindekasse zusätzlich. Angesichts der prekären Finanzlage ist es fraglich, ob die langfristigen Gewinne den unmittelbaren Aufwand aufwiegen werden.

Darüber hinaus steigen mit dem Stadtstatus die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger sowie von Unternehmen. Es wird mehr und bessere Infrastruktur, erweiterte Kulturangebote und verbesserte Verwaltungsleistungen erwartet. Diese zusätzlichen Investitionen erfordern jedoch Mittel, die Haar momentan nicht zur Verfügung hat. Ohne externe Unterstützung könnte die Gemeinde unter der Last dieser Erwartungen zusammenbrechen.

Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass der Stadtstatus selbst keine direkten finanziellen Vorteile bringt. Es gibt keine automatischen Zuweisungen oder Zuschüsse, die Haar durch den Titel „Stadt“ zufließen würden. Die Gemeinde bleibt also weiterhin auf sich allein gestellt und muss mit ihren bestehenden, knappen Mitteln auskommen. Damit steht zu befürchten, dass der Titel „Stadt“ mehr Symbolik als reale Verbesserungen mit sich bringt – zumindest auf absehbare Zeit.

Mit dem Stadtstatus geht auch die Verpflichtung einher, sich als urbanes Zentrum nachhaltig zu entwickeln. Das bedeutet nicht nur Investitionen in den Ausbau von Verkehrsinfrastruktur und Wohnraum, sondern auch in öffentliche Dienstleistungen. Diese Projekte erfordern erhebliche finanzielle Mittel, die in der aktuellen Finanzlage schwer zu stemmen sind. Es bleibt fraglich, wie Haar diese Entwicklung finanzieren soll, ohne dabei weitere Schulden aufzunehmen oder an anderer Stelle Kürzungen vorzunehmen.

Die Stadterhebung ist zweifellos ein symbolischer Erfolg für Haar. Doch die finanziellen und strukturellen Herausforderungen, die mit diesem Titel einhergehen, könnten die Gemeinde langfristig belasten. Ohne eine klare Strategie zur Bewältigung der zusätzlichen Kosten und Erwartungen droht der neue Status eher zur Bürde, als zum Gewinn zu werden. Die zukünftige Entwicklung hängt stark davon ab, ob es Haar gelingt, Investitionen anzuziehen und gleichzeitig die finanziellen Belastungen zu managen – ein Balanceakt, der viel Geschick und vorausschauende Planung erfordert.

Beitragsbild: Gemeinde Haar

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